Das Matthias-Claudius-Sozialwerk Bochum ist der Dachverband verschiedener selbstständiger Einrichtungen, die unter einer gemeinsamen Zielvorstellung arbeiten.
Wir erklären, wie wir inklusiv lernen.
Seit 1990 werden an der Matthias-Claudius-Schule Bochum (Gesamtschule) Schüler:innen mit und ohne Förderbedarf gemeinsam unterrichtet.
Mit seinen unterschiedlichen Ausprägungen ist dieser Bestandteil des Schulkonzeptes und durchgängiges Unterrichtsprinzip in allen Klassen bzw. Jahrgangsstufen.
In der Sekundarstufe II werden Schüler:innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf, die die Berechtigung zum Besuch der gymnasialen Oberstufe erworben haben, zielgleich unterrichtet.
Die Gesamtschule wird in den Jahrgängen 5-10 vierzügig geführt. Die Klassenstärke beträgt 26 Schüler:innen. Ca. 160 Schüler:innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf besuchen die Sekundarstufen I und II (Förderschwerpunkte: Lernen, Geistige Entwicklung, Körperliche und motorische Entwicklung, Sprache, Hören und Kommunikation, emotionale und soziale Entwicklung, Sehen) . Die Klassen der Sekundarstufe I setzen sich in der Regel aus 20 Regelschüler:innen und 6 Schüler:innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf zusammen.
Das Klassenleitungsteam Sekundarstufe I besteht aus einem:r Sekundarstufenlehrer:in und einem:r Lehrer:in für Sonderpädagogik. Der Unterricht erfolgt weitgehend in Doppelbesetzung. Zur Zeit gehören 32 Sonderpädagogen:innen und ein Heilpädagoge zum Kollegium der Gesamtschule. Drei Sonderpädagogen sind Mitglied der Schulleitung. Darüber hinaus hat der Schulträger zusätzliche eine Koordinationsstelle für Integrationspädagogik eingerichtet.
Jedem Klassenraum ist ein Kleingruppenraum angegliedert. Entsprechende Kleingruppenräume existieren auch im naturwissenschaftlichen und musisch-künstlerischen Bereich. Die Ausstattung des Gebäudes und die Einrichtung in den Klassen- und Fachräumen sind behindertengerecht. So verfügt die Schule beispielsweise neben drei Aufzügen über einen Ruheraum, einen Wohn-/Unterrichtsraum mit integrierter Küche und einen eigenen motopädischen Förderbereich.
Schüler:innen mit einer Behinderung werden nach den Vorgaben des Bildungsganges im jeweiligen Förderschwerpunkt unterrichtet. Bei zieldifferentem Unterricht können die Schüler:innen die Abschlüsse der entsprechenden Förderschule erwerben. Bei zielgleichem Unterricht sind die Richtlinien und Lehrpläne der Gesamtschule bzw. der gymnasialen Oberstufe maßgebend.
An der Matthias-Claudius-Schule werden prinzipiell Schüler:innen aller Förderschwerpunkte aufgenommen, sofern die personellen und sächlichen Voraussetzungen gegeben sind. Schüler:innen mit Behinderungen durchlaufen das gleiche Aufnahmeverfahren wie Regelschüler:innen. Darüber hinaus muss die Schulaufsicht die Matthias-Claudius-Schule als Förderort festlegen. Integration ist einer der Eckpfeiler des Schulkonzepts. Bereits in der Gründungsphase der Grundschule entschieden sich die Planer:innen dafür, dass die MCS eine christliche Schule für alle Kinder sein sollte. Bei der Planung der SI und später der SII wurde dieser Grundsatz selbstverständlich übernommen.
In der Regel besteht ein Unterrichts-Team aus Lehrer:in für Sonderpädagogik und SI/SII-Lehrer:in. Dabei ist die Planung und Durchführung des Unterrichts prinzipiell die Verantwortung beider, auch wenn sich in der Praxis eine Aufgabenteilung nach der jeweiligen Ausbildung ergeben kann. Aufgrund der verschiedenen Ausbildungen bringen beide Gruppen verschiedene Kompetenzen und Erfahrungen in den gemeinsamen Unterricht ein. Im Verlauf der Unterrichtstätigkeit an der MCS sollen beide ihre Kompetenzen dahingehend erweitern, dass sie sich als Integrationslehrer:innen verstehen. Dabei müssen SI/SII-Lehrer:innen zusätzlich die besonderen Lernvoraussetzungen und Lernbedürfnisse der jeweiligen Schüler:innen mit Behinderungen zur Planungsgrundlage machen. Sonderpädagogen:innen müssen sich in die Didaktik und Methodik weiterer Unterrichtsfächer einarbeiten und sich ggf. mit den Anforderungen des Regelunterrichts vertraut machen.
Idealtypischerweise bilden sich Teamkollegen:inen gegenseitig fort. Dies gelingt dann am besten, wenn die zu Beginn unterschiedlichen Kompetenzschwerpunkte als sinnvolle Ergänzung begriffen werden.
Gemeinsamer Unterricht für Schüler:innen mit und ohne Förderbedarf wird in verschiedenen Organisationsformen und Unterrichtsmethoden durchgeführt und orientiert sich u.a. an den Zielvorgaben der Förderpläne. Besondere Lernbedürfnisse in den Förderschwerpunkten Lernen und Geistige Entwicklung können dazu führen, dass klassen- und ggf. jahrgangsübergreifende Differenzierungsgruppen eingerichtet werden, in denen möglichst leistungshomogene Lerngruppen unterrichtet werden (bes. während der Englisch- und Mathematikstunden). Innerhalb dieser Organisationsform können auch Lernfelder wie Lebenspraktische Orientierung oder eine Fortführung des Leselehrgangs berücksichtigt werden. Hierzu zählt ebenfalls die Einrichtung eines sogenannten wöchentlichen Projekttages in einzelnen Jahrgangsstufen. Unterrichtsstunden aus Fächern, in denen Differenzierungsgruppen bestehen, werden so geblockt, dass eine Lerngruppe bis zu vier Stunden von den gleichen Lehrer:innen unterrichtet werden kann. Dadurch ergibt sich u. a. die Möglichkeit, vorhaben- und handlungsorientiert zu arbeiten.
Bei der Entscheidung über die geeigneten Organisationsformen wird immer wieder deutlich, dass die Ansprüche an individuelle Förderung und Qualität des gemeinsamen Unterrichts stets neu miteinander abgeglichen werden müssen. Dies lässt keine schematische Lösungen zu. Die spezifischen Bedingungen der einzelnen Jahrgangsstufen spielen hierbei eine entscheidende Rolle.
Kaum ein anderes Thema wird in der Bildungslandschaft so heftig diskutiert wie die Inklusion:
Seit 2009 ist die UN Behindertenrechtskonvention in Deutschland in Kraft und somit geltendes Recht. Sie verpflichtet uns zum Aufbau eines inklusiven Schulsystems in Deutschland. Während die einen fordern, die Umsetzung zu bremsen, geht anderen die Inklusion noch längst nicht weit genug.
Das Deutsche Schulportal stellt in einem Pro und Contra die Positionen gegenüber.
Stefan Osthoff, Lehrer der Matthias-Claudius-Schule schreibt in seinem Beitrag, warum die Kollegen:innen der Gesamtschule in Bochum inklusiv arbeiten und das auch gut finden.
Wir haben an unserer Schule aus Überzeugung bereits 1990 damit begonnen und unsere langjährige Erkenntnis lässt sich so formulieren: Ob Inklusion gelingt ist in erster Linie eine Frage der Einstellung und Haltung. Erst danach kommen Fragen der personellen und sachlichen Ausstattung.
Unser Verständnis von Inklusion wurzelt in einem Menschenbild, dass jeden Menschen unabhängig von seinen Fähigkeiten als gleich wertvolles Geschöpf Gottes wahrnimmt. Gelebte Inklusion wird so als Geschenk und lohnender Wert wahrgenommen, den Menschen mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf gleichermaßen als Gewinn erfahren können.
Dabei verstehen wir Inklusion als exemplarisches Lernfeld der Schulgemeinschaft auch im Umgang mit Minderheiten und Fremdheit. Sie erstreckt sich neben der Schule auch auf die Begegnungsmöglichkeiten und Erfahrungsräume im außerschulischen Bereich, zum Beispiel in Familie und Freizeit und betrifft das gesamte Schulleben, nicht nur den Unterricht. Dies gilt vor allem für Pausen, Feiern, Unterrichtsgänge, Klassenfahrten und vieles mehr.
Inklusion braucht positive Einstellungen und sie verändert auch Einstellungen. Genau das braucht unsere Gesellschaft und deshalb auch unsere Bildungslandschaft. Inklusion ist noch zu wenig prägender Bestandteil unserer Gesellschaft und nicht in unserer Erfahrungswelt und unseren Vorstellungen fest verankert. Sie bedarf deshalb einer Veränderung der Einstellung zu mir und bei allen Beteiligten der Schulgemeinschaft.
Inklusion verändert den Unterricht sowohl der Regelschüler:innen als auch der Schüler:innen mit Förderbedarf. Daraus folgt, dass der Unterricht ausgehend von den Bedürfnissen aller Schüler:innen geplant werden muss. Die Unterrichtsplanung nimmt nicht dauerhaft nur eine Lerngruppe in den Blick.
Guter inklusiver Unterricht kann nach unseren Erfahrungen gelingen, wenn es in der Schule gemeinsame verbindliche Standards dafür gibt und wenn das Phänomen „Behinderung“ im Kollegium intensiv aufgearbeitet und die Unterschiedlichkeit positiv wahr genommen wird. Wichtig ist auch, dass der Unterricht gemeinsam im Team geplant wird. Für die Schüler:innen gibt es differenzierte Lernziele und auch verschiedene Unterrichtsmethoden. Stabile pädagogische Bezugspersonen sind ebenso nötig, wie die Einführung von Helferprinzipien. Der Stundenplan sollte so organsiert sein, dass Doppelstunden möglich sind.
Und natürlich benötigt erfolgreicher inklusiver Unterricht auch hinreichende personelle und sächliche Ressourcen, doch die Debatte sollte sich nicht darauf beschränken.